Fallanalyse von Yu-Chi Chang, Studentin Kunsthochschule Berlin Weißensee ©:  Kerstin Kühl (2013)
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Fallanalyse von Yu-Chi Chang, Studentin Kunsthochschule Berlin Weißensee ©: Kerstin Kühl (2013)
Projekt (abgeschlossen)
Bild & Handlung

Gesundheit & Gestaltung

Die Neuerfindung des Patienten

»Re-Inventing the Patient« ist ein interdisziplinäres, internationales Forschungsprogramm des Projektes »Gesundheit & Gestaltung« und seiner Kooperationspartner_innen. Untersucht werden aktuelle Einflussfaktoren und Gestaltungsdimensionen in der Patientenversorgung innerhalb und außerhalb des Krankenhauses: Wissenschaftler_innen aus den Bereichen Medizin, Architektur, Design, Game Studies, Informatik, Ethnologie und Kulturwissenschaft analysieren die Gestaltung klinischer Behandlungsprozesse, Räume und ganz konkreter Gegenstände (wie Krankenbett, Patientenakte, Therapieaufklärungsbogen). In welchen Kontexten sind sie historisch entstanden, worin liegen aktuelle Probleme? Der Forschungsprozess wird dabei selbst als Gestaltungsprozess begriffen - aus der interaktiven Zusammenarbeit der Disziplinen werden neue Strategien entwickelt, die durch ein innovatives Setting der Abläufe, Räume und Gegenstände auch die Rolle und Teilhabe der Patient_innen in ihrem Zentrum nachhaltig verändern.

Die klinische und außerklinische Versorgung chronisch kranker Patienten_innen steht gegenwärtig vor einer Vielzahl neuer Herausforderungen – und Chancen. Unmittelbare Auswirkung auf die gemeinsame, optimale Gestaltung der Therapiesituation (Schlüsselbegriffe »Compliance«/ »Shared Decision Making«) hat die Koordination von Versorgungsabläufen zwischen den betreuenden Einrichtungen sowie die aktivere Ein- und Anbindung von Patient_innen in den Kreislauf von Institutionen, Untersuchungsergebnissen, medizinischem Wissen und Therapiestrategien.

Patienten navigieren
In Zusammenarbeit von Forscher_innen aus den Bereichen Medizin, Kulturwissenschaft und Design mit dem gamelab.berlin wird eine Tablet-basierte Anwendung (»CarePad«) konzipiert, die erstmals entscheidende Bausteine eines patientenorientierten Datenmanagements (Terminplanung, Patiententagebuch, Befunddatenbank, Hintergrundinformationen, Aufklärungsbögen, Therapieverlauf) zusammenführt, vernetzt, personalisiert und den Patient_innen kontinuierlich an die Hand gibt. Die Grenzen konventioneller Krankenakten innerhalb klinischer Informationssysteme und jüngst zunehmend verfügbarer Selbstüberwachungsapplikationen auf Smartphones und Tablets werden dabei gezielt hinterfragt. Von Beginn an werden dabei zugleich begleitend auch kurzfristige realisierbare Verbesserungsmöglichkeiten im therapeutischen Prozess chronisch Kranker erprobt und evaluiert. In einem weiteren Schritt ist die Integration des parallel bearbeiteten, klinisch orientierten Projektes »The Patient Navigation« mit Forscher_innen aus Architektur und Geoinformatik in eine gemeinsame Anwendungsumgebung geplant.

Das Krankenbett
Das Krankenhausbett ist nicht nur der Aufenthaltsort für Patient_innen sowie deren Privatraum, sondern es ist der Ausgangs- und Schnittpunkt einer Krankenhausbehandlung: Ärzt_in, Verwaltung, Versicherung etc. treffen hier auf den klinischen Fall. Das Projekt untersucht die materielle und immaterielle Infrastruktur des Krankenhauses in einem Team von Wissenschaftler_innen aus Design, Ethnologie und Kulturwissenschaft. Dieser kulturanthropologische Ansatz eröffnet erst den Blick für Bedeutungen, die noch nicht sichtbar sind, jedoch essentiell Abläufe im Krankenhaus mitsteuern. Das Team entwirft eine Geografie des Krankenhauses anhand des Bettes und seiner historischen als auch anthropologisch-symbolischen Bedeutungen für soziale Raumzuweisungen und Praktiken der Pflege und Verwaltung. Es entwickelt daraufhin ein Behandlungsszenario alternativ zum stationsgebundenen Liegen im Bett, indem zunächst Rollenzuweisungen vom Bett gelöst werden und das Bett wieder frei wird für Patient_innen.

Der Raum der Krankheit
Dieses Forschungsprojekt im Verbund von Architektur, Kulturwissenschaft und Medizin begreift den städtischen Raum als Agent medizinisch-therapeutischer Maßnahmen. Es untersucht verschiedene Prozesse der Urbanisierung als auch deren Auswirkungen auf den Stadtmenschen, Homo urbanus, und dessen medizinische Versorgungsstrukturen. Anhand von fünf räumlichen Konzepten wird das Krankenhaus der klinischen Medizin innerhalb eines Urbanisierungsprozesses kontextualisiert. Das Krankenhaus selbst ist wiederum einem stetigen Spezialisierungsprozess der klinischen Medizin ausgesetzt. Das Prinzip dieser klinischen Spezialisierung und deren räumliche Auswirkungen werden am Beispiel der Charité in Berlin beschrieben - davon ausgehend gilt es, innerhalb eines kommenden Postdoc-Forschungsprojektes die Agenten des Raumes näher zu analysieren.