Bausch - Helmholtz Vorlesung Februar 2015
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Bausch - Helmholtz Vorlesung Februar 2015
Ort
Kinosaal der Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6

Prof. Dr. Drs. h.c. Onur Güntürkün (Ruhr-Universität Bochum; Fakultät für Psychologie; Abteilung Biopsychologie) spricht zum Thema:

Die Evolution des Denkens

Wie entsteht das Denken im Gehirn? Wie beeinflussen biologische Strukturen das Denken und Verhalten? Und umgekehrt: Wie wirken psychologische Vorgänge auf die biologischen Strukturen zurück? Onur Güntürkün, einer der wichtigsten Vertreter der biologisch fundierten Psychologie, wird sich mit diesen Fragen im Rahmen seiner Helmholtz-Vorlesung auseinandersetzen.

Intelligente Gehirne sind mehrfach in der Evolution entsprechend sehr ähnlichen Prinzipien entstanden. So die These Güntürküns. Bis vor kurzem dachte man, dass ohne die Hirnrinde von Säugetieren - wie beispielsweise dem Menschen - höhere Denkprozesse nicht möglich sind. Onur Güntürkün und sein Team haben jedoch nachgewiesen, dass auch Vögel ohne Hirnrinde vergleichbare Denkleistungen produzieren können wie Schimpansen. So können Häher in die Zukunft planen, Krähen bauen komplexe Werkzeuge und Elstern erkennen sich selbst im Spiegel. Die neuen Forschungen ergeben, so Güntürkün, dass „obwohl Vögel keine Hirnrinde besitzen, ihr Vorderhirn aus ähnlichem Hirngewebe besteht wie unsere Hirnrinde. Zudem findet man ähnliche neurobiologische Mechanismen im Gehirn von Vögeln und Säugetieren.“ Die meisten dieser Ähnlichkeiten entstehen aber nicht durch ein gemeinsames Erbe, betont der Biopsychologe, sondern entwickelten sich im Laufe der Evolution auf eine nahezu identische Art und Weise sowohl bei Vögeln als auch bei Säugetieren. Diese evolutionäre Geschichte des Gehirns versucht Onur Güntürkün in seiner Forschung zu rekonstruieren. Eng damit ist der Versuch verbunden, die Geschichte des Denkens besser zu verstehen.

Onur Güntürkün absolvierte von 1975 bis 1980 ein Studium der Psychologie an der Ruhr-Universität Bochum. Zwischen 1980 und 1984 verfasste er seine Doktorarbeit an der Arbeitseinheit Tierpsychologie und promovierte im Jahre 1984 mit dem Prädikat: „summa cum laude”. Nach Forschungsaufenthalten in Paris und San Diego schloss er 1991 seine Habilitation für das Fach Psychologie an der Universität Konstanz ab. 1993 folgte er dem Ruf auf eine Professur für Biopsychologie an der Fakultät für Psychologie der Ruhr-Universität Bochum. Seine Forschungsschwerpunkte liegen bei der Evolution von Gehirn und Kognition sowie bei der Genese von Hirnasymmetrien. 2009 erhielt Herr Güntürkün die Große Verdienstauszeichnung der Türkischen Republik. Daneben wurden ihm zahlreiche weitere Auszeichnungen zuerkannt, unter anderem der Förderpreis des Gerhard Hess-Programms für hoch qualifizierte Nachwuchswissenschaftler der Deutschen Forschungsgemeinschaft (1993), der Förderpreis der Alfried Krupp zu Bohlen und Halbach-Stiftung für junge Hochschullehrer (1995), der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der DFG (2013) und der Communicator-Preis des Stifterverbandes (2014). Seit 2006 ist Professor Güntürkün Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Das akademischen Jahr 2014/15 verbringt er als Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin.

Über die Helmholtz-Vorlesungen:

Die Helmholtz-Vorlesungen bringen schwierige wissenschaftliche Sachverhalte in einer verständlichen und unterhaltsamen Form einem breiten Publikum näher. Sie sind daher an die interessierte Öffentlichkeit und nicht an ein Fachpublikum gerichtet, auch wenn sie, ganz im Sinne von Helmholtz, grundsätzlich von wichtigen neuen Ideen, Entwicklungen oder Perspektiven im Detail handeln.

Veröffentlichungen zum Thema:

  • Güntürkün, O., The convergent evolution of neural substrates for cognition, Psychological Research, 2012, 76: 212-219.
  • Prior, H., Schwarz, A., and Güntürkün, O., Mirror-Induced Behavior in the Magpie (Pica pica): Evidence of Self-Recognition, PLoS Biology, 2008, 6(8): e202.