Projektübersicht der Themenklasse 2018

Schwerpunkt »Wahrnehmungspsychologie und Wahrnehmungsstörungen«


Niklas Binder (Betreuung Prof. Martin Rolfs)

Obwohl es in homosexuellen Pornofilmen offensichtlich um die Abbildung von schwuler Sexualität geht, ist ein großer Teil der Darsteller, die in solchen Filmen »mitspielen« tatsächlich aber selbst heterosexuell. Diese sogenannten »Gay for Pay«-Darsteller, spielen, wie der Name schon verrät, in diesen Film meist aus finanziellen Beweggründen mit. Dies wird vor den Konsumenten solcher Filme alles andere als verheimlicht – ganz im Gegenteil, viele Produktionsfirmen werben damit, dass ihre Darsteller heterosexuell sind.
Wieso haben Schwule also kein Problem damit, dass die Darsteller von authentischem, realen Sex selbst gar nicht schwul sind? Ist dies eventuell sogar erregend oder wird die sexuelle Orientierung der Darsteller beim Konsum von Pornographie ausgeblendet? Welche Rolle spielt dies in der Wahrnehmung des Gesehenen und lässt sich dieses gezielt beeinflussen?


Hanna Gieseler (Betreuung Christophe Blaison)

Im Rahmen des Themenklassenprojekts untersucht Hanna Gieseler die Wahrnehmung von Räumen als Gefühlserleben  unter psychologischen und geographischen Aspekten. Eine kartenbasierte Umfrage soll Aufschluss darüber geben, welche Affekte mit Orten verbunden werden und ob sich eine räumliche Konzentration bestimmter Affekte ausmachen lässt. Dem Projekt liegt die Annahme zu Grunde, dass Wahrnehmung als bewusste perzeptuelle Erfahrung und Produkt komplexer Sinnes- und Informationsverarbeitung dem »Raum« vorgelagert ist beziehungsweise Raum u.a. als das Ergebnis der individuellen Wahrnehmungsweise anzusehen ist (vgl. Freytag 2014: 13).


FREYTAG, Tim (2014): Raum und Gesellschaft. – In: LOSSAU, J.; FREYTAG, T.; LIPPUNER, R. (Hrsg.): Schlüsselbegriffe der Kultur- und Sozialgeographie. Stuttgart: Ulmer


Noa Hedrich (Betreuung Prof. Isabel Dziobek)


In Zusammenarbeit mit der Autismus-Forschungs-Kooperation beschäftigt sich Noa Hedrich mit Selbsthilfegruppen in Autismus. Aktuell existieren mehr als 40 Autismus Selbsthilfegruppen bundesweit, mit immer weiter wachsenden Zahlen, doch ihre Effektivität bleibt bislang unerforscht. Wie vergleichen sich Selbsthilfegruppen mit anderen Interessengruppen und Psychotherapie? Erhöhen Selbsthilfegruppen die Lebensqualität und wenn ja welchen Charakteristiken verdanken sie ihren Erfolg?


Katharina Heine (Betreuung Prof. Carsten Finke)


Katharina Heine forscht zur Rolle Hippocampus-abhängiger kognitiver Flexibilität bei Depression



Stephanie Wagner (Betreuung Prof. Martin Rolfs)


Im Rahmen der Themenklasse beschäftigt sich Stephanie Wagner mit der Wahrnehmung von Handyvideos, die mit einer unscharfen Version des Originals hinterlegt sind. Dabei geht sie der Frage nach, inwiefern entsprechende Videos die Wahrnehmung des Gezeigten verändern und welche Bedeutungen sich daraus für die Einschätzung von Nachrichtensendungen ableiten lassen.


Schwerpunkt »Philosophie und Kulturgeschichte der Wahrnehmung«


Maren Isabel Fritz (Betreuung Kathrin Friedrich)

Maren Isabel Fritz erforscht im Schwerpunkt »Philosophie und Kulturgeschichte der Wahrnehmung« phänomenologische Wahrnehmungstheorien. Die Schrift »Das Mich der Wahrnehmung. Eine Autopsie« von Lambert Wiesing (2009) stellt dabei den Ausgangspunkt ihres Projektes dar. Als Ergebnis möchte sie eine protreptisch verfasste Beschreibung eines Wahrnehmungsvorganges präsentieren und in den interdisziplinären Diskurs der Themenklasse einbringen.


Lilly Schaack (Betreuung Prof. Andreas Feldtkeller)

Bildende Kunst und gegenständliche Ästhetik sind in der Theologie heute eher ein Randthema, da gerade die protestantische Theologie ihren Fokus im Wort und weniger im Bild sieht. Doch gerade im Christentum, das die materielle Welt als durch das Wort Gottes hervorgerufen versteht und den Menschen als Abbild Gottes und Jesus Christus als Menschwerdung und Bild Gottes sieht, ist das Verhältnis von Bild und religiöser Selbstwahrnehmung vielschichtig. So spielen Ikonen eine Rolle in der Herausbildung von kultureller Identität und der Konstruktion von sozialer Realität. Sie tragen somit sowohl sozial transformatives als auch repressives Potential in sich. Es stellt sich beispielsweise die Frage, was es mit der Selbstwahrnehmung einer südafrikanischen Gemeinde macht, wenn die Heiligenbilder an den Wänden der Kirche allesamt weiße, blond und blauäugige Menschen darstellen, die Gemeinde selbst aber aus ausnahmslos schwarzen Menschen besteht. Die Arbeit möchte eine postkoloniale und feministische Perspektive auf christliche Ikonographie aufzeigen.


Jana Storch (Betreuung Prof. Petra Löffler)

Jana Storch untersucht die Feminisierung der Assistenztechnologien in einer kulturhistorischen Tradition vergeschlechtlichter Care -, Assistenz- und Hausarbeit. Die geschlechtlich kodierte Trennung von Produktions- und Reproduktionsarbeit soll in ein Wechselverhältnis mit der gesellschaftlichen Wahrnehmung von technischem und menschlichem gender gestellt werden. Die feminisierte Stimmlichkeit der Technologien soll als performativer Akt zur Konstruktion/Stabilisierung von Weiblichkeitsstereotypen analysiert werden.


Lou Witte (Betreuung Prof. Petra Löffler)

Lou Witte beschäftigt sich in seinem Forschungsprojekt mit der Konzeptualisierung von Unterdrückung als Phänomen, das nicht allein einzelne Individuen als solche, sondern Personen qua sozialer Gruppenzugehörigkeit betrifft. In philosophischen Definitionen von gruppenbasierter Unterdrückung bleibt häufig unklar, woran sich eine solche Gruppenzugehörigkeit festmacht. So konnte Lou Witte bereits in seiner bisherigen Arbeit feststellen, dass hierbei insbesondere die Unterscheidung zwischen wahrgenommener und selbst-identifizierter Gruppenzugehörigkeit unangetastet bleibt. Dies führt dazu, dass vor allem die spezifische Unterdrückung, die trans* Personen erfahren, nicht von den bestehenden Definitionen gruppenbasierter Unterdrückung gefasst werden kann, ohne die Identität der betroffenen Personen zu missachten. Das Ziel der Forschung ist es deshalb, eine neue Definition von Unterdrückung auf Basis von Gruppenzugehörigkeit zu erarbeiten, die im Anschluss in weiteren Auseinandersetzungen mit diesem sozialen Phänomen genutzt werden kann. Lou Wittes Forschungsarbeit reiht sich ein in ein gemeinsames Projekt mit den Stipendiat_innen Jana Storch und Lennard Wolf, welches sich mit der Vergeschlechtlichung von Sprachassistenztechnologien beschäftigt. Über eine quantitative Forschungsarbeit wird das Antwortverhalten verschiedener Sprachassistenztechnologien auf Fragen zu Sexualität und gender untersucht. Da bei der Forschungsarbeit mit Sprachassistenztechnologien lediglich auf zugeschriebene Gruppenzugehörigkeiten Bezug genommen werden kann, hält Lou Witte die genaue Unterscheidung der verschiedenen Unterdrückungsmechanismen abhängig von selbst-identifizierter oder wahrgenommener Gruppenzugehörigkeit für notwendig.


Lennard Wolf (Betreuung Prof. Petra Löffler)

Ausgehend von einer Kritik an gängigen Theorien der Erfahrung des Anderen hat der Philosoph Max Scheler postuliert, dass Fremdwahrnehmung unmittelbar sei. Lennard Wolf wird sich im Rahmen des Projekts »Philosophie der Wahrnehmung« mit dieser These eingehend befassen und sie an moderner, elektronischer Kommunikation erproben: Handelt es sich um unmittelbare Fremdwahrnehmung in Schelers Sinne, wenn man mit einer fremden Person eine Videotelefonat führt? Wen oder was nimmt man (unmittelbar) wahr, wenn man mit Google Duplex telefoniert, oder mit einem Avatar durch eine virtuelle Welt spaziert?


Schwerpunkt »(Produktive) Täuschungen«


Maddalena Casarini (Betreuung Susanne Jany)


Als Deutschlandstipendiatin in der AG »Bild und Handlung« beschäftigt sich Maddalena mit der Frage nach der Rolle der Fiktion bei der Konstruktion der Faktizität in Bild und Text. Einen Schwerpunkt des Forschungsprojektes bildet dabei die Untersuchung der Rhetorik von dokumentarischen Fotografien.


Simon Lindner (Betreuung Prof. Margarete Pratschke)

Die US-amerikanische Künstlerin Joan Jonas (*1936) leistete mit ihrer frühen Videoarbeit Vertical Roll (1972) einen Beitrag zu einer auch heute wieder aktuellen Wahrnehmungs- und Medienkritik. Die Videoarbeit deckt verborgene, auf physiologischer Ebene stattfindende Modifizierungen der Wahrnehmung durch elektronische Videowiedergabe auf. Damit erzielt sie ein kritisches Bewusstsein für die leibliche, nicht-bewusste Verwobenheit von Mensch und Technik sowie einen Denkraum für den besonnenen Umgang mit Medientechnologie.


Uria Man (Betreuung Prof. Margarete Pratschke)

Uria Man forscht zum Phänomen der Anamorphosen in der Kunst und als philosophische Metapher für den Wahrnehmungs- und Erkenntnisprozess.


Nuria Röder (Betreuung Prof. Margarete Pratschke)


Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Offenheit seitens der Neurowissenschaften gegenüber geisteswissenschaftlichen und künstlerischen Perspektiven entstehen mehr und mehr Projekte, die auf eine Kooperation zwischen Wissenschaftler_innen und Künstler_innen abzielen. Im Rahmen der Themenklasse untersucht Nuria Röder, inwiefern künstlerische Darstellungen, die aus solchen Kooperationsprojekten hervorgehen, in die wissenschaftliche Erkenntnisbildung eingehen.