Vergangene Projekte der Themenklasse »Bild Wissen Gestaltung« 2016

Nina Kathalin Bergeest (Bild & Handlung, Sophia Kunze)

Als Deutschlandstipendiatin beschäftigt sich Nina im Rahmen des Schwerpunktes »Bild & Handlung« mit der Frage, inwiefern künstlerische Gestaltungspraxis bestehende Sichtbarkeitsverhältnisse brechen und dahinterliegende Normen offenlegen kann. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen stellt dabei das Innocents Project (2002) dar, für das die US-amerikanische Künstlerin Taryn Simon fünfzig zu Unrecht verurteilte US-Amerikaner an Orten, die mit den vermeintlichen Verbrechen in einem engen Zusammenhang stehen, porträtierte. Der Grund für die Verurteilung war in den meisten Fällen eine „mistaken identification“, bei der das fotografische Medium eine wesentliche Rolle spielte. Um die künstlerischen Strategien kritisch erfassen und analysieren zu können, wird es in ihrem aktuellen Projekt darum gehen, den Bildtypus des Verbrecherporträts und die damit zusammenhängenden sozialen Praktiken im historischen Kontext zu betrachten, um in einem zweiten Schritt, das Verhältnis von Fotografie und Wirklichkeit, dem Bild zwischen Fakt und Fiktion, in einem bildtheoretischen Rahmen zu verankern.

Lina Berndt (ID+Lab | Architekturen des Wissens, Michael Dürfeld)

Innerhalb des Projekts ID+ erhebt die Projektarbeit von Lina eine experimentelle Vorstudie zu einer optimierten Nutzung der innovativen ID+ Veröffentlichungsplattform durch Mixed Reality, einer Kombination aus Augmented Reality und Virtual Reality. Mittels dieser technischen Geräte wird eine Aufschlüsselung der erlebten realen und digitalen Ebenen ermöglicht. 2D und 3D Bedienungspanels, Browserfenster und Tastaturen integrieren sich in die Umwelt, erlauben freie Sicht und ermöglichen so einen schnelleren Kommunikationsaufbau. Eine Gruppenansicht auf dreidimensionale Objekte und das Segmentieren, Transformieren und Annotieren aller, auch nicht physisch Anwesender, ermöglicht eine neue Arbeitsform und ein detailliertes visuelles und propriozeptives Erleben. Hierdurch werden die für dieses Projekt unabdingbare direkte Kommunikation und das kollaborative Arbeiten gestärkt. Ein Filmen und Bereitstellen des eigenen Arbeitsprozesses ermöglicht rezipierenden Teilnehmer_innen ein Nachempfinden dieses Prozesses. 360°-Aufnahmen von Arbeitsprozessen (Meetings, produktive Handlung: z.B. Benutzung eines Werkzeugs, Besuchen von (Antritts-)Vorlesungen etc.) erlauben, in bereits geschehende Situationen zurückzukehren, sie zu erleben und ermöglichen den Zugang zu qualitativen, kontextbezogenen Rohdaten.

Adrian Bothe (Active Matter, Susanne Jany)

Adrians Projekt fußt auf der Beobachtung, dass Wachse auf der Sprossoberfläche mancher Pflanzen wie dem Eschen-Ahorn nach dem Entfernen sehr schnell wiederkehren. Die Wachse bilden dabei auf mikroskopischer Ebene Fasern unterschiedlichster Länge, Ausrichtung und Form aus, die in einem Raster angeordnet sind. Adrian wertet die mikroskopischen Bilder aus und entwickelt daraus eine abstrakte geometrische Ordnung. Ebenso verfährt er mit Satelliten-Fotos von Slums aus verschiedenen Städten (Nairobi, Mumbai). Da die Grundeinheiten (Häuser, Wachs-Fasern) sich kaum in Einklang bringen lassen, vergleicht er ihre übergeordneten Geometrien, mit dem Ziel, den Prozess der Abbildung und Reduktion detailreicher, kontinuierlicher Information in Form von Fotos zu abstrakten, diskreten Geometrien bzw. auch mathematischen Beschreibungen selbst anhand der Beispiele zu visualisieren sowie – soweit möglich – zu generalisieren. 

Maren Fritz (Bild & Handlung, Kathrin Friedrich)

Die Erfahrung von Krankheit hat im menschlichen Leben eine große Spannweite: Sie reicht von kleinsten Beeinträchtigungen, von denen man schnell und komplett wieder geheilt ist, bis hin zu existentiellen Erlebnissen, wenn es sich um schwere und lebensbedrohliche Erkrankungen handelt. Letztere gehen meist mit Krankenhausaufenthalten einher und können stark in das bisherige Selbstverständnis und die Lebensführung des Patienten eingreifen. Unter der Fragestellung, wie der Patient professionelle Hilfestellung dabei erhalten kann, die Erfahrung von Krankheit und Hilfsbedürftigkeit zu verarbeiten und sie in sein Selbstbild und seine Biographie zu integrieren, untersucht Maren die Beziehung zwischen Arzt und Patient und versucht diese richtungsweisend zu charakterisieren. Ihre These ist, dass die Begegnung zwischen Arzt und Patient in ihrem »Person-sein« Voraussetzung für diesen Prozess ist. Eine derart gestaltete Beziehung stellt einen wichtigen Teilaspekt der Heilung des Patienten dar, der jedoch durch die zunehmende Technisierung und Verkürzung der Liegezeiten in den Krankenhäusern gefährdet ist. 

Jonathan Haid (Bild & Handlung, John Nyakatura)

Neben der Dominanz des Visuellen und der Bedeutung bildlicher Darstellungen in der Medizin und ihrer Erforschung, haben schalldiagnostische Diagnoseverfahren seit ihrer Entdeckung einen unverrückbaren Stellenwert. Im Zuge seines Stipendienprojekts geht Jonathan der Frage nach, welche weiterführende Rolle die Akustik (als Repräsentationstechnik und Objekt der Wissensproduktion) innerhalb medizinischer Diagnostik und therapeutischer Praxis spielt. Durch die Analyse der sozialen, kulturellen und epistemologischen Funktionsweisen schalldiagnostischer Strategien soll eine wissenschafts- und kulturhistorische Perspektive zu einem Verständnis dieser medialen Prozesse und ihren Vernetzungen mit den Sphären menschlichen Handelns beitragen. Davon ausgehend möchte er sich dem komplexen Verhältnis von visuellen und auditiven Rezeptions- und Repräsentationsformen in der Medizin nähern.

Simon Lindner (Architekturen des Wissens, Michael Dürfeld)

Im Jahr 1881 sandte der in Jena lehrende Zoologe Ernst Haeckel einen Forschungsbericht über Tiefsee-Quallen an die Royal Society of London. Die behandelten Exemplare waren auf der Challenger-Expedition, einer von Dezember 1872 bis Mai 1876 dauernden Seeexpedition, gefangen und Haeckel im Jahr 1877 zur Untersuchung nach Jena übermittelt worden. Da es sich um die ersten Fänge aus der Tiefsee in der Wissenschaftsgeschichte handelt, war ein Großteil der Spezies niemals zuvor erfasst worden. Im Vorwort des Berichts bedauert Haeckel, dass ihn die meisten der in Alkohol konservierten Exemplare in schlechtem Zustand und unvollständig erreicht hatten, weshalb er mithilfe der vergleichenden Morphologie Rekonstruktionen unternommen habe. So erklärt sich auch, weshalb die Exemplare nicht fotografiert, sondern lithografisch wiedergegeben wurden. Lithografie schafft keine mechanischen Abbilder wie die Fotografie, sondern gezeichnete. Gezeigt ist folglich nicht das, was Haeckel auf seinem Seziertisch gesehen hat, sondern eine Synthese seines Wissens, ein Resultat seines Stils. Simon interessiert, wie sich an den Abbildungen Haeckels Verfahren der vergleichenden Morphologie nachvollziehen lässt. Außerdem fragt er nach der Rolle von Bildern als Grundstein einer Wissenschaft. Wissenschaftliche Bilder, so die These, konstituieren einen Forschungsgegenstand, stiften einen Forscherverbund und fordern zur Revision heraus.

Caspar-Fridolin Lorenz (Experimentalzone, Henrike Rabe)

Anknüpfend an Georg Stanitzeks Überlegungen zu Sozialfiguren, versucht Caspar die in der Experimentalzone tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als ort- und zeitspezifische Figur zu beschreiben. Zu fragen ist daher nach den Praktiken der Einzelnen, ihren Vorstellungen ihrer Tätigkeiten wie auch Einflüsse, die sie begleiten. Habituelle (Bourdieu) wie auf die Unterscheidung von Inklusion und Exklusion zielenden Beobachtungen (Luhmann) werden begleitet von den Diskursen zur Verwirtschaftlichung persönlicher (Bröckling) wie wissenschaftlicher Subjekte und Kreativität (Reckwitz). 

Sally Di Maio (Architekturen des Wissens, Christian Stein )

Sallys Projekt am gamelab.berlin beschäftigt sich mit der Konzeption eines Spiels namens Singleton. Durch die Interaktion von Elementen des Game Designs mit psychologischen Mechanismen sollen Menschen durch Singleton darin unterstützt werden, ihre Zeit besser zu nutzen und selbst gesteckte Ziele zu erreichen. Momentan werden die genauen Bestandteile und der Prozess des Spieles definiert und vollendet. Darauf aufbauend sollen anhand von Testpersonen das Spielverhalten im Allgemeinen als auch spezifische interindividuelle Unterschiede im Spielverhalten analysiert werden.

Andrea Popelka (Bild & Handlung, Nina Franz)

In der zeitgenössischen Kriegsführung kommen zunehmend unbemannte Flugzeugsysteme, auch Drohnen genannt, zum Einsatz. Die Entwicklung dieser Technologien und ihre Verwendung werden bewusst arkan gehalten. Die mangelnde Informationslage und die daraus resultierende mittellose öffentliche Diskussion machen die wissenschaftliche Bearbeitung des Gebietes umso notwendiger. Als Ort der Geheimhaltung verlangt es nach neuen Strategien der Erforschung, der Investigation und der diskursiven Annäherung. Eine diskurs- und bildanalytische Mikrostudie untersucht anhand von bereits gesammeltem Material exemplarisch, welche Strategien in der Begegnung von arkanem Feld und Wissenschaftler_in ins Feld gebracht wurden und gebracht werden könnten.

Mirjam Schäfer (Dynamische Form, Sandra Schramke)

Die Lektüre von Kracauers Ornament der Masse inspirierte Mirjam, das Ornament als Oberflächenerscheinung zu betrachten, die Aufschluss über die darunter liegenden Strukturen gibt. Im Zusammenhang ihrer Recherche wurde sie darauf aufmerksam, dass ornamentale Strukturen nicht nur kunsthistorisch interessant sind, sondern in verschiedensten Kontexten auftreten. Den engeren kunsthistorischen Rahmen hinter sich lassend interessiert sich Mirjam in ihrem Projekt für die ornamentalen Strukturen emergenter Phänomene. Sie setzt sich mit dem Begriff der Emergenz selbst auseinander und unterzieht ihn einer kritischen Analyse. Der Terminus Emergenz scheint einen Sammelbegriff der Phänomene in verschiedenen Kontexten zu benennen, z.B. im Konstruktivismus, in der Chaostheorie oder in den Theorien der Selbstorganisation. In seiner breiten Verwendung birgt er ein Heilsversprechen, das der Untersuchung der Geschichte und des Anwendungskontexts des Emergenzbegriffs nicht standhält.

Armin Schneider (Active Matter, Stephan Weinzierl)

Das Verhältnis von Sprache und Musik lässt sich auf verschiedene Weise bestimmen. Die zwei naheliegenden Extrempositionen einer solchen Bestimmung sind einerseits ihre irreduzible Differenz, andererseits die Annahme einer strukturellen Identität. Eine solche Identität kann man annehmen, wenn man Sprache und Musik gleichermaßen als akustische Klangereignisse betrachtet. Diese Betrachtungsweise von akustischen Signalen ist im 20. Jahrhunderts mit den Möglichkeiten technischer Klangsynthese (und -analyse) auf eine neues Niveau gehoben worden. Konsequenzen, die sich aus dieser Verschiebung des Verhältnisses von Musik und Sprache ergeben, haben nicht zuletzt auch zu neuen Gestaltungsprinzipien und -problemen in der Musik des 20. Jahrhunderts geführt. Das Forschungsprojekt untersucht das Verhältnis von Musik und Sprache vor dem Hintergrund technischer Klangsynthese in historischer Perspektive mit der sogenannten musikalischen »Stunde Null« (insbesondere Stockhausens frühe elektronische Musik) nach 1945 als exemplarischem Schauplatz.

Philipp Schneider (Bild & Handlung, Matthias Bruhn)

Ohne Aussicht auf Genesung – Aber mit Aussicht

Das Hospiz Søndergård des Architekturbüros Henning Larsen Architects, welches 2010 in Måløv bei Kopenhagen erbaut wurde, setzt durch seine Einbindung in malerische Natur neue Standards in Bereich der Palliativmedizin. Welchen positiven psychologischen und medizinischen Einfluss die Topografie eines Krankenhauses oder Hospizes auf den_die Patienten_in hat, soll anhand von historischen Beispielen erörtert werden, um einen Hintergrund für zeitgenössische Fragen der Krankenhausarchitektur aufzufächern.

Tilman Stephani (Formprozess & Modellierung, Robert Gaschler)

Charakteristisch für Strukturen in der Natur ist ein bestimmtes Maß an Selbstähnlichkeit, d.h. Formen auf Makroebene kehren mit hoher Ähnlichkeit auf Mikroebene wieder. Die menschliche Informationsverarbeitung scheint sensitiv für eine solche Selbstähnlichkeit zu sein, indem Strukturen mit einer »Natur-typischen« Selbstähnlichkeit als angenehmer empfunden werden als »nicht-natürliche« Strukturen. Beschränkt sich dieses Phänomen der menschlichen Wahrnehmung nur auf Objekte der realen Umwelt oder wirken diese Mechanismen auch in virtuellen Strukturen? In seinem Projekt untersucht Tilman die Präferenz von Betrachterinnen und Betrachtern für Liniendiagramme unterschiedlicher Selbstähnlichkeit sowie deren mentaler Repräsentation.