Otto Neurath
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Otto Neurath
Location
Zentrales Labor
Sophienstraße 22a, 2. Hinterhof, 2. Stock rechts

Aus Otto Neuraths Wirken als Philosoph, Ökonom und Volksaufklärer hat das Konzept der Isotype (International System of Typographic Picture Education) eine lang anhaltende Wirkung entfaltet. Es sind weniger die revolutionären Grundgedanken, eine universelle Bildsprache mit typografischen Bildelementen in einer aufklärerischen Bildpädagogik einzusetzen, sondern vor allem die ursprünglich von Marie Reidemeister und Gerd Arntz gestalteten graphischen Elemente, die die Flughäfen der Welt und zahllose Gebäude überziehen. 99 Prozent des Erbes der Piktographie Neuraths scheint in Werbegrafikdesign und Wegweiser-Piktogrammen aufgegangen. Oberfläche der Glyphen statt bildpädagogischer Tiefe? Ist der Ansatz also im Grunde gescheitert? Sind Bilder wirklich universell – und können sie argumentativ das gesprochene und geschriebene Wort ersetzen?

Das Repertoire der Wiener Methode der Bildstatistik, wie Isotype anfänglich hieß, umfasste mehr als 4000 Zeichen. Es gab klare Regeln für Farb-, Formgebung und Größe der einzelnen Bildzeichen. Sie waren die piktographischen Grundelemente der Sachbilder, die Angehörige von »Klassen mit ungleicher Bildung«, »Gebildete, Halbgebildete und Analphabeten« und »müde Menschen« erreichen sollten. (Neurath, 1944) Die Bilder ersetzten also nicht einfach nur Zahlen, sondern hatten eine didaktische Funktion. Hunderte von kontroversen und eindrucksvollen Bildstatistiken entstanden für die Wiener Ausstellungen im Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum (GWM), da­runter der Wirtschaftsatlas. 
Das Instrument der Bildpädagogik verbreitete sich in den 1930er Jahren international vor allem im Museumsbereich. Nach der Emigration der Neuraths in das Vereinigte Königreich 1940 begann der sozialistische Dokumentarfilmer Paul Rotha mit Neurath die Bilddiagramme in animierter Form etwa zur Erklärung volkswirtschaftlicher Zusammenhänge in seine Propaganda- und Bildungsfilme aufzunehmen.

Neuraths Wirken ist einer der theoretischen Ausgangspunkte für das Projekt »Piktogramme« des Exzellenzclusters Bild Wissen Gestaltung. Wir möchten im Workshop an die bewegten und unbewegten Bildstatistiken des Neurath-Arntz-Trios anknüpfen und ihren Aufklärungsanspruch in Vergangenheit und Gegenwart kritisch hinterfragen.

 

Programm:

FREITAG, 22. November

13 Uhr Prof. Dr. Wolfgang Coy,  Exzellenzcluster Bild Wissen Gestaltung, HU Berlin: »Sehen-Verstehen-Überzeugen«
14 Uhr Prof. Dr. Frank Hartmann, Dekan der Fakultät für Gestaltung, Uni Weimar: »Unused Esperanto – der ungenannte Beitrag Neuraths zur Medientheorie«
15 Uhr Kaffee
15.30 Uhr Eric Kindel, Associate Professor, University of Reading: »Isotype in West-Africa« 1952-1958
16.30 Uhr Andrea Knaut, Exzellenzcluster Bild Wissen Gestaltung, HU Berlin: »Diagrams that move«
17 Uhr Film »Land of Promise«
18 Uhr Gemeinsames Essen

SAMSTAG, 23. November

10 Uhr Dr. des. Rebekka Ladewig, Exzellenzcluster Bild Wissen Gestaltung, HU Berlin: »Gesellschaftstechnik und Transformation. Anmerkungen zu Bildpolitik und Biopolitik im bildpädagogischen Werk Neuraths«
11 Uhr Prof. Roland Posner, Arbeitsstelle für Semiotik, TU Berlin: »Geschichte und Ökonomie der Zahldarstellung«
12 Uhr Kaffee
12.30 Uhr Prof. Dr. Thomas Macho, Institut für Kulturwissenschaften, Exzellenzcluster Bild Wissen Gestaltung, HU Berlin
13.30 Uhr Diskussion »Texte analysieren – Bilder verwirren? Hat das Konzept Isotype noch eine Zukunft?«
14.15 Uhr Ende der Veranstaltung